Derzeit ist El Salvador nicht nur von den Bedrohungen, Folgen und Einschränkungen durch den Corona-Virus betroffen, sondern gleich zwei hintereinander folgende tropische Unwetter-Ereignisse bedrohen das Leben der Menschen in El Salvador. Das pazifische Tiefdruckgebiet Amanda brachte Ende Mai/Anfang Juni 2020 heftige Regenfälle nach El Salvador. Diesem Tiefdruckgebiet folgte am 04.06.2020 die pazifische Unwetterfront Cristobal. Beides Phänomene die normalerweise erst Ende Oktober eines Jahres auftreten. Auch wenn diese Tiefdruckgebiete sich in nördlicher Richtung begeben, gehen dadurch in El Salvador massive Regenfälle nieder. In diesem Fall ist insbesondere die Hauptstadt San Salvador betroffen. Bedroht sind aber auch die Gemeinden am Bajo Lempa. Einerseits durch die massiven Regenfälle selbst, aber zum anderen, wie immer, durch den starken Anstieg des Pegels des Río Lempa. Der Pegelanstieg erfolgt jedoch nicht nur durch die Regenfälle, sondern in bedrohlicherweise dadurch, dass das Wasserkraftwerk „15. September“ das Wasser aus der Talsperre zum Schutz der Staumauer ablassen muss. Aktuell hat man den Wasserabfluss von 500 Kubikmeter pro Sekunde auf 2.500 Kubikmeter erhöht. Dies führt zu einem heftigen Anschwellen des Wasserpegels des Río Lempa und somit zu Überschwemmungen in den Gemeinden am Bajo Lempa.
Wasserkraftwerk „15. September“ im Oberlauf des Rïo Lempa
Gegenüber der Situatuation vor 10 bis 15 Jahren, hat sich dank der Organisation der „Vereinigten Gemeinden des Bajo Lempa“ (ACUDESBAL) dahingehend verbessert, dass ein gut organisiertes Notfall-Equipo besteht. Und auch die Kommunikation mit dem Wasserkraftwerk (CEL) ist erheblich besser geworden. Dieses Notfall-Equipo hat in den letzten Jahren viel Erfahrung gesammelt und nimmt frühzeitig die Arbeit auf, um auf Überschwemmungen vorbereitet zu sein.
Verteilung von Hilfslieferungen für die Bevölkerung
Vom Direktor von ACUDESBAL, Mario, sind wir mit einem Brief vom 01.06.2020 über die aktuelle Situation am Bajo Lempa informiert worden. Nachfolgend dokumentieren wir diesen Brief (in Übersetzung):
„Liebe Freunde Lothar und Sigrid, hiermit teile ich Ihnen mit, dass aufgrund der Regenfälle die Gemeinden vom Bajo Lempa stark beeinträchtigt sind, die landwirtschaftlichen Parzellen und auch die Innenhöfen der Häuser stehen unter Wasser. Aber derzeit müssen wir keine größeren Beeinträchtigungen befürchten. Heute haben wir eine Besichtigung der kritischen Punkte des Flussufers durchgeführt und noch gegen 17.00 Uhr war die Situation normal.
am Rïo Lempa
in der Gemeinde „Amando López“
Vor wenigen Augenblicken hatten wir eine Versammlung mit Beamten des Katastrophenschutzes, dem CEL und dem Kommandeur der sechsten Infanteriebrigade, die in Usulután stationiert ist, die uns bestätigten, dass man um sechs Uhr nachmittags aus dem Staudamm 15 de Septiembre 500 Kubikmetern pro Sekunde ablässt. Vor wenigen Minuten wurde mit zusätzlichen offiziellen Informationen bestätigt, dass die Entladungen bei 2.500 Kubikmetern pro Sekunde liegen; es scheint, dass sie uns nicht mit Informationen versorgen, die der Wahrheit entsprechen.
Ein Problem, das gesehen werden muss, besteht darin, dass die große Notunterkunft in Jiquilisco, in den die Evakuierten aus dem Gebiet gebracht werden sollten, als Krankenhaus genutzt wird, um die von COVID 19 betroffenen Menschen zu versorgen, weshalb es außerhalb des Gebiets keinen angemessenen Ort gibt, um sich um die Flutopfer zu kümmern, falls dies notwendig wird. ACUDESBAL verhandelt mit den Regierungsbehörden über die Ausstattung der 12 Gemeinschaftsunterkünfte in der Zone. Die Ausstattung umfasst die Vorhaltung der Grundelemente wie Matten, Küchen zur Herstellung von Grundnahrungsmitteln, Desinfektionsmittel für sanitäre Einrichtungen, Basisdienste, Stühle, Tische usw.
Wir hoffen, dass das tropische Tiefdruckgebiet Amanda abklingt und dass wir nicht mit einem weiteren Überschwemmungsnotstand konfrontiert werden, da wir den anderen Pandemie-Notstand von COVID 19 haben, aber wir müssen vorbereitet sein, und bei dem Treffen, das heute Nachmittag mit den Regierungsbehörden stattfand, wurden bereits Pläne und institutionelle Aufgaben definiert. ACUDESBAL ist die Institution, die den gesamten Notfall in den Gemeinden koordinieren wird, und die Behörden stellen zur Unterstützung Transportmitteln, Basislogistik und spezialisierte Einheiten zur Rettung zur Verfügung, wenn nötig. Es wird erwartet, dass die Koordination völlig transparent sein wird, obwohl wir schon jetzt Zweifel haben, weil es keine offizielle Warnung von dem Ablass von 2.500 Kubikmetern pro Sekunde gab.
Leider sind die Dinge im Großraum San Salvador komplizierter, bis heute Nachmittag, Sonntag, den 31. Mai 2020, sind 10 Menschen aufgrund des Unwetters umgekommen [bis zum 04.06.2020 sind bereits 27 Menschen Opfer der Unwetterkatastrophe geworden], 200 Häuser wurden überflutet und tausende von Familien sind betroffen. Es zeigt sich die Verwundbarkeit des Landes aufgrund einer Reihe von Ereignissen, von einer eingestürzten Abflussrinne bis zum Einsturz von Mauern, die an Flüssen liegen, verstopfte Trinkwassersysteme, so wie es auch bei den Abwässern der Fall ist. Es ist bedauerlich, dass diese Situation seit Jahrzehnten bekannt ist und es nicht möglich war, eine strategische Investition so zu tätigen, dass der Grad der Verwundbarkeit so gering wie möglich gehalten werden konnte; am Ende sind es die ärmsten Familien, die die Konsequenzen tragen.
in San Salvador
Aus Informationen des Ministeriums für Umwelt und natürliche Ressourcen wissen wir, dass sich das Phänomen, das unser Land getroffen hat, sich abzuschwächen beginnt, und wir hoffen, dass sich zum Wohle der ländlichen und gefährdeten Bevölkerung sich alles wieder normalisiert.
Mit herzlichen Grüßen
Mario“
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